Schulbibliotheken

Das Gymnasium Georgianum beherbergt neben der wohl in allen Schulen üblichen Lehrerbibliothek (Bestand ab etwa 1950) eine Schüler-Arbeitsbibliothek mit vier PC-Arbeitsplätzen. Diese Einrichtung wird als Präsenzbücherei im Rahmen der gemeinsamen Oberstufe auch von den Schülerinnen und Schülern des Johanneums genutzt.

Eine Besonderheit weist das Georgianum hinsichtlich zweier weiterer Bibliotheken auf. Es beherbergt nämlich den noch vorhandenen Bestand der ehemaligen Universität und „illustren Lateinschule“ bis zum Jahre 1800 und den Bücherbestand der Schulbibliothek des alten Georgianums (19./20.Jahrhundert).

Nähere Informationen zur Bestandsgeschichte und zum Bestand findet man im sog. Fabian-Handbuch ( www.b2i.de/fabian ). Hier ein Auszug:

1. Bestandsgeschichte

Die schon seit langem in Lingen bestehende Lateinschule wurde in den Jahren 1677 bis 1680 auf Betreiben Wilhelms III., Prinz von Oranien (1650-1702), zur Ausbreitung der Reformation zu einer „illustren lateinischen Schule ersten Ranges“ erweitert. Die feierliche Eröffnung am 22. Januar 1680 gilt als Gründungstag der Höheren Schule (später Gymnasium) in Lingen. In der Schule wurden die Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik betrieben. Die reformierte Anstalt erfüllte jedoch ihren Auftrag insofern nicht, als die Söhne katholischer Eltern nach Absolvierung der Lateinschule katholische Universitäten besuchten. Daher wurde zur weiteren Durchsetzung der Reformation am 14. September 1697 ein akademisches Gymnasium errichtet, auch Akademie oder Universität genannt.
Während in Verbindung mit der Lateinschule an keiner Stelle eine Bibliothek erwähnt wird, findet sich in den Statuten der Akademie der Hinweis, dass jeder, der ein geistliches oder weltliches Amt bekleidet, der Bibliothek ein Werk zukommen lassen solle, das mindestens den Wert eines Dukaten habe. Zudem wurde eine Druckerei eingerichtet, die der Akademie angegliedert war. Im Jahre 1754 wurde ein ständiger Bibliothekar angestellt und dazu der Professor der Theologie Dr. Ferdinand Stosch ernannt. Ihm gelang es, die bisher aus ca. 800 Bänden bestehende Bibliothek um ca. 200 Bände zu vermehren. Um diese Zeit wurden auch die Strafgelder zur Erweiterung des Buchbestandes bestimmt. Im Jahre 1774 wurde für die Bibliothek ein neues Zimmer unter dem Dach im Turm der Lateinschule eingerichtet, 1797 war der Buchbestand auf ca. 3100 Bände angewachsen.
Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) besuchten nur wenige Studenten die Akademie. Erst um 1770 stieg ihre Zahl wieder an, doch war diese Blütezeit nur von kurzer Dauer. Seit dem Französischen Krieg (1792-1794) setzte der Niedergang der Akademie ein, die Zahl der Studenten sank auf 16. Da auch die Lateinschule um diese Zeit nur geringen Besuch zu verzeichnen hatte, wurden beide Anstalten durch die hannoversche Regierung im Jahre 1819 förmlich aufgehoben und statt dessen ein neues Gymnasium gegründet, das Ostern 1820 den Unterricht aufnahm. Die bisher dem Gymnasium academicum gehörende Bibliothek ging in den Besitz der neuen Anstalt über, zudem wurde ein Vermehrungsetat von 25 Talern jährlich zugestanden. Die Bibliothek umfasste zu diesem Zeitpunkt mehrere tausend Bände, darunter Bibel- und Kirchenväter-Ausgaben. Um 1875 war die Sammlung auf ca. 8000 Bände angewachsen.
Heute sind beide Bibliotheken getrennt aufgestellt. Aufgrund der Geschichte beider Anstalten ergibt sich, dass die Bibliothek der ehemaligen Akademie einen historischen Buchbestand bis zum Jahre 1800 aufweist, während sich in der Schulbibliothek nur Bücher des 19. und 20. Jahrhunderts befinden. Beide Sammlungen werden getrennt beschrieben.

2. Bestandsbeschreibung

Bei einem Gesamtumfang von ca. 14.000 Bänden umfasst der historische Bestand der Schulbibliothek einschließlich Zeitschriften 2078 Titel. Er wurde durch Auszählen des Systematischen Bandkatalogs ermittelt. Alle Titel sind Drucke des 19. Jahrhunderts. In deutscher Sprache liegen 1514 Titel vor (73 Prozent). 261 der 271 lateinischen Titel stammen aus der Hauptsachgruppe Klassische Philologie. Die restlichen 293 fremdsprachigen Titel verteilen sich auf englische, französische und wenige niederländische Werke.
Die Bibliothek ist in 18 Systematikgruppen gegliedert, die fein unterteilt sind. Die Beschreibung erfolgt nach dem Umfang der Bestände. Teilweise werden Gruppen zusammengefasst.
Die Klassische Philologie umfasst mit 746 Titeln mehr als ein Drittel des historischen Bestandes. Davon entfallen 280 Titel auf die Scriptores Graeci und 252 Titel auf die Scriptores Latini. In beiden Untergruppen befinden sich Werk- und Textausgaben der einschlägigen antiken Schulautoren (Aristoteles, Platon, Xenophon; Caesar, Cicero, Livius etc.). Hinzu kommen 22 Anthologien. 261 Titel sind originalsprachig. Auf die Altertumskunde entfallen 49 Titel. Der Bestand wird ergänzt durch 26 Titel zur Archäologie, 19 Lexika, 16 Biographien, 11 Titel zur Mythologie und 8 zur Geographie der Antike. Schriften zur Literaturgeschichte stellen 14 Titel, hinzu kommen 32 Grammatiken, 9 Titel zur Metrik und 8 zur Methodik.
Von den 420 Titeln zur Deutschen Philologie entfallen 319 auf Werk- und Textausgaben, darunter 45 von Schriftstellern des Mittelalters, 26 von Autoren der Frühen Neuzeit bis 1750, 244 von Dichtern bis zum Jahre 1850 und 4 von Verfassern bis 1900. Hinzu kommen 16 Anthologien und 46 Titel an Sekundärliteratur. Lexika, Schriften zur Methodik und Grammatik umfassen jeweils 10 Titel. Neun Titel sind Literaturgeschichten.
Zur Geschichte (238 Titel) liegen neben 2 Karten und 3 methodischen Werken 54 Darstellungen zur Weltgeschichte vor. Auf Ur- und Vorgeschichte entfallen 2 Titel, auf die Geschichte der Klassischen Antike 41, auf die Geschichte des Mittelalters 31 und auf die Geschichte der Neuzeit 105. Die Geographie umfasst 62 Titel. Neben allgemeinen Werken, Lexika, Atlanten und Biographien finden sich hier auch Schriften zur Astronomie, Geologie, Meteorologie und Völkerkunde.
Von den 147 Titeln zu den Naturwissenschaften einschließlich der Mathematik entfallen auf die Mathematik 63 Titel, die sich etwa gleichmäßig auf Allgemeines, Arithmetik und Geometrie verteilen. Die Biologie stellt 46 Titel, darunter 16 zur Botanik und 12 zur Zoologie. Zur Physik liegen 36 Titel vor, davon etwa die Hälfte Hand- und Lehrbücher sowie einige Titel zur Astronomie. Die Chemie umfasst 2 Titel.
Zur Theologie liegen 96 Titel vor, darunter 34 zur Exegese, 23 zur Systematischen Theologie, 15 zur Historischen Theologie und 10 zur Praktischen Theologie. Hinzu kommen 7 Biographien sowie 7 Atlanten und Lexika. Die Pädagogik stellt 91 Titel, darunter 35 didaktische Werke und 21 Schriften zum Schulwesen sowie 10 Darstellungen zur Geschichte der Pädagogik. Die 54 philosophischen Titel enthalten 34 Schulausgaben und 13 Darstellungen zur Geschichte der Philosophie.
Bei den modernen Fremdsprachen handelt es sich um 84 Titel zum Englischen und 61 zum Französischen, fast ausschließlich Werk- und Textausgaben einschlägiger Schulautoren (Byron, Dickens, Shakespeare; Molière, Racine, Voltaire etc.). Sekundärliteratur ist jeweils nur in geringer Zahl vorhanden. Während bei den englischen Autoren fast nur deutsche Übersetzungen vorliegen, ist etwa die Hälfte der französischen Autoren in originalsprachigen Ausgaben vertreten.
Die Sachgruppe Diverses enthält 4 Titel zur Allgemeinen Sprachwissenschaft und 10 zur Orientalistik. Hinzu kommen 13 Lexika, 18 Titel zu Leibesübungen, 6 zur Kunst und 3 zur Musik. Außerhalb der Systematik sind 25 Zeitschriften verzeichnet, etwa je zur Hälfte pädagogische Periodika und allgemeine gelehrte Zeitschriften.

Die Archivbibliothek der ehemaligen Akademie Lingen umfasst einen historischen Bestand von 990 Titeln in ca. 2000 Bänden. Diese Zahl wurde anhand des in den Jahren 1981/82 neu erstellten Systematischen Katalogs ermittelt; sie schließt die Disputationen nur als Konvolute ein. Da die Akademie Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde, reicht der Bestand nur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Neben einer Inkunabel finden sich 145 Titel aus dem 16. Jh., 254 aus dem 17. Jh. und 590 aus dem 18. Jh. .
Die 314 deutschsprachigen Titel verteilen sich insbesondere auf die Sachgruppen Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften. Lateinisch sind 524 Titel, insbesondere in den Sachgruppen Theologie, Philologie und Geschichte. Daneben liegen einzelne Werke in griechischer, niederländischer und französischer Sprache vor.
Die Beschreibung erfolgt nach dem Systematischen Katalog, der den Bestand in 8 Sachgruppen ordnet, und nach dem Umfang. Die größte Sachgruppe ist die Philologie mit 276 Titeln. Die Klassische Philologie bildet mit 122 Titeln den Schwerpunkt der Abteilung, je etwa zur Hälfte griechische und lateinische Schriftsteller. Hinzu kommen 17 neulateinische Ausgaben. Insgesamt handelt es sich um 26 Titel aus dem 16. Jh. . Hervorzuheben ist außerdem die Literaturwissenschaft mit 53 Titeln. Die restlichen Titel verteilen sich auf Lexika und Literaturgeschichten (je 11), Grammatiken (5), Werke zur Archäologie und Altertumskunde (45), Mythologie (8) und Pädagogik (4). Zu den ältesten Titeln zählen Plato, Opera omnia, translatione Marsilii Ficini (Basel 1532), Plinius Secundus, Historiae mundi libri XXXVII (Basel 1539) und Plutarch, Opera moralia (Basel 1541 und Paris 1572). Außerdem finden sich Werke von Horaz, Quintilian und Seneca, Pietro Bembo und Erasmus.
Die Theologie umfasst 217 Titel, davon 16 aus dem 16. Jh. . Unter den 26 Bibeln (5 aus dem 16. Jh.) finden sich unter anderem 2 malaiische Ausgaben von 1733, eine Luther-Bibel (Magdeburg 1554) und eine Biblia sacra polyglotta (London 1657) in den Sprachen Hebräisch, Chaldäisch, Griechisch, Lateinisch, Syrisch, Arabisch, Äthiopisch und Persisch. Hinzu kommen 36 Titel zur Patristik. 75 Titel zählt die Historische, 54 die Exegetische und 5 die Systematische Theologie. Unter den restlichen 21 Titeln findet sich eine Sammlung von 54 Bänden theologischer Disputationen deutscher Akademien des 18. Jahrhunderts (Helmstedt, Halle, Bremen, Steinfurt, Hamm) mit etwa 1500 Abhandlungen, alle in lateinischer Sprache. An frühen Werken seien genannt Tertullian, Opera (Basel 1521), Melanchthon, Von den Kirchen und den alten Kirchenlehren (Wittenberg 1540) und das Corpus doctrinae Christianae (Leipzig 1560) sowie Augustinus, Opera (Basel 1542-1543).
Bei den 201 Titeln zur Geschichte (davon 42 aus dem 16. Jh.) liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte der Neuzeit (97 Titel). Die Hannoversche Landesgeschichte ist mit 20 Titeln vertreten, die Geschichte der Antike mit 8. Hinzu kommen jeweils 12 Titel zur Weltgeschichte und Biographien, 7 Lexika und 16 Titel zur Kulturgeschichte sowie 29 sonstige historische Werke. Hier findet sich auch mit Hartmann Schedel, Weltchronik (Nürnberg 1493) die einzige Inkunabel. Der Bestand enthält eine Reihe von Chroniken aus dem 16. Jh., u. a. Christian Wurstisen, Bassler Chronik (Basel 1533), Caspar Hedion, Auserlesene Chronik (Straßburg 1549), David Chytraeus, Chronicon Saxoniae (Leipzig 1593 und 1611) sowie Ulrich von Reuhenthal, Costnitzer Concilium (Frankfurt 1575).
Die Geographie umfaßt 123 Titel, darunter eine Reihe von Reisebeschreibungen, z. B. Giovanni Battista Remusio, Primo[-terzo] volume delle navigationi et viaggi (Venedig 1563). Auf die Naturwissenschaften entfallen 114 Titel, davon 51 zur Naturgeschichte (Mineralogie, Botanik und Zoologie), 34 zur Physik und 29 zur Mathematik, darunter 86 Bände der Academie Royale des Sciences (Amsterdam 1730, 1750, 1760 und 1770).
Die Philosophie stellt 32 Titel. 15 Werke sind Orientalia. Hinzu kommen 12 Periodika in 406 Bänden, überwiegend gelehrte Zeitschriften des 18. Jahrhunderts, darunter De Boekzaal von Europa (1695-1705) und die Acta Eruditorum (1700-1776).

Stand: April 1997
Alois Hoping (†)

Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.