Flüchtlinge täglich vor Augen – Schüler des Georgianums Lingen wollen sich für die Menschen einsetzen

Seit in ihrer Sporthalle Flüchtlinge untergebracht sind, haben die Schüler des Lingener Gymnasiums Georgianum das Thema täglich direkt vor Augen. Das weckt ihr Interesse ebenso wie ihr Engagement. Dies wird in einem Gespräch unserer Redaktion mit den jungen Georgianern deutlich.

Flüchtlinge täglich vor Augen 

Der 16. Oktober war der erste Tag, an dem Flüchtlinge in der vom Landkreis Emsland zur Notunterkunft hergerichteten Sporthalle des Georgianums untergebracht wurden. Für die Schüler war es der letzte Schultag vor den zwei Wochen dauernden Herbstferien. Auf Facebook hatte die Schülervertretung bereits vor den Ferien deutlich gemacht, helfen zu wollen und die Flüchtlinge willkommen zu heißen.

Als eine der Ersten hat Madelief Wigger geholfen: „Es gab eine E-Mail von der Schulleitung an alle Eltern und Schüler, dass ehrenamtliche Helfer bei der Essensausgabe gesucht werden“, berichtet sie. Statt den ersten Ferientag auszuschlafen, stand sie um 7 Uhr morgens in der Mensa, um das Frühstück für Flüchtlinge auszugeben. „Manche lächeln dankbar, andere würdigen dich keines Blickes.“ Aber sie habe Verständnis: „Ich weiß ja nicht, was diese Menschen durchgemacht haben“, sagt Madelief. „Wir müssen große Toleranz haben.“

In der vierten Woche sind jetzt mehr als 20 Eltern und Schüler in der Mensa im Einsatz. „Den organisieren wir über Whatsapp“, erklärt Beratungslehrer Frank Kösters. Und das funktioniere sehr gut. „Letzten Freitag wurden nachmittags sechs Helfer für die Frühstücksausgabe am nächsten Tag um 7 Uhr gesucht. Binnen 25 Minuten waren die gefunden.“

Die Schüler haben vorgeschlagen, eine Projektwoche zum Thema Flüchtlinge am Georgianum durchzuführen. Annika Thiel erläutert diesen Vorschlag: „Wir möchten mehr über Flüchtlinge erfahren. Woher stammen sie? Warum sind sie geflohen? Was ist ihnen auf der Flucht widerfahren?“ Antworten auf diese Fragen sollen Experten sowie Vertreter von Hilfsorganisationen geben. Und natürlich Flüchtlinge selbst. „Wenn sie denn darüber sprechen wollen“, merkt Annika an. Schulleiter Manfred Heuer bestätigt, dass die Idee zu der Projektwoche von den Schülern ausgehe: „Wir planen diese derzeit für Ende Januar.“ Alle Jahrgangsstufen des Georgianums sollten daran beteiligt werden.

Aber auch vorher soll es Aktionen geben: „Unsere Arbeitsgemeinschaft ‚Schule ohne Rassismus‘ plant gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendparlament der Stadt Lingen am 13. November eine Stadtführung für jugendliche Flüchtlinge“, sagt Aylin Thole. Es sei eine erste Annäherung an die gleichaltrigen Flüchtlinge, fügt ihr Mitschüler Leon Dung hinzu. „Es hängt von den Teilnehmern ab, ob wir Barrieren dauerhaft durchbrechen können.“

Und auch die Arbeitsgemeinschaft Schulpastoral hat etwas geplant: „Wir führen eine Geschenkaktion für Flüchtlingskinder zu Weihachten durch“, erklärt Laura Hadam. Im Flyer zur gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadt, SKM, SkF und der Lingener Tafel organisierten Aktion steht: „Es kennen zwar nicht alle diese Kinder Weihnachten, aber wir möchten den Anlass nutzen, um ein Zeichen zu setzen.“

Alle Schüler, mit denen unsere Redaktion gesprochen hat, haben ein großes Interesse daran, Kontakt zu den Flüchtlingen zu bekommen. „Die Flüchtlinge direkt vor unserer Nase haben uns bewegt, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Leon. Und Annika hat angesichts der Flüchtlinge „direkt vor der Haustür“ erkannt: „Es ist ein Glück, hier zu leben und nicht selber Tausende von Kilometern fliehen zu müssen.“ Dass direkter Kontakt zu den Flüchtlingen in ihrer Sporthalle aber schwieriger als gedacht sein kann, ist ihnen bewusst: „Nicht alle Flüchtlinge bleiben lange hier“, weiß Malin Thomsen. Und Larissa Lauenroth fügt hinzu: „Vielleicht brauchen die Flüchtlinge auch einfach mal nur Ruhe.“

Lingener Tagespost vom 11.11.2015