„Georgianer für: Lingener in Not“ – Tagesseminar im Friedensdorf Oberhausen am 08. März 2016

„Warum wird in Deutschland die Toilette mit sauberem Wasser gespült? Warum trinkt ihr das nicht?“ – Asifs Frage bei der Aufnahme ins Friedensdorf Oberhausen. Er stammt aus Angola, wo Benzin billiger als Trinkwasser ist.

Nachdem die 16 Schülerinnen des Seminarfachs „Georgianer für Lingener in Not“ sich 2 Jahre theoretisch und praktisch mit Hilfsorganisationen im und außerhalb des Unterrichts beschäftigten, stand am 08. März 2016 der Höhepunkt dieser Zeit an: die Exkursion zum Friedensdorf nach Oberhausen.    

Geboren wurde diese Idee bereits im ersten Halbjahr der 11. Klasse, als Lena Chmil, die selbst die Einrichtung schon einmal besuchte, und Malin Thomsen den Kurs hierauf aufmerksam machten. Nachdem Malin das Seminarfach inhaltlich aufklärte, nahmen wir Kontakt auf, trafen Absprachen und bereiteten uns weiter auf unseren Besuch vor.

Die Schülerinnen erwirtschafteten in einem selbst organisierten und durchgeführten Kuchenverkauf in den großen Pausen in der Vorweihnachtszeit 350€, die als Spende dem Friedensdorf für seine Arbeit überreicht wurden. „Wir waren sehr überrascht, das man doch mit überschaubarem Aufwand so viel Geld für eine gute Sache erwirtschaften kann“, äußerte sich Marlene Santel im Vorfeld.

Bei einem Rundgang durch das Dorf wurde uns von dem Sozialarbeiter Jonas erklärt, dass derzeit 150 Kinder vor allem aus Angola, Somalia und Afghanistan im Säuglingsalter bis 11 Jahre, damit sie kein Anrecht auf Asyl in Deutschland haben, betreut werden. Zudem werden die Kinder im Lesen, Schreiben und Rechnen ausgebildet. Die Jungen erwerben Kenntnisse in einer Holz- und Metallwerkstatt und die Mädchen haushaltsnahe Tätigkeiten, die ihnen bei der Rückkehr in ihr Land den späteren Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern sollen. Zeugnisse und Gesellenbriefe gibt es in Angola kaum, hier zählen nur erworbene Fähigkeiten.  Wir sahen von Tretminen geschundene Körper mit fehlenden Gliedmaßen und schwersten Verbrennungen: „Wir hindern die Kindern aber nicht mehr daran, mit Krücken und Orthesen Fußball zu spielen…“, erläuterte Jonas.

Danach starteten wir unsere Workshops mit 20 Kindern im Gemeinschaftsraum „Gate 4“. Der Kurs hat in Gruppen drei Projekte organisiert, bei denen die Kinder mit ihnen Knautschbälle und  Musikinstrumente bastelten und Stoffbeutel bemalten. Rebecca Kock fragte hierbei den 6jährigen Asif: „Warum sprichst du so gut Deutsch?“ „Ich bin doch schon 6 Monate hier“, entgegnete er fast entrüstet. Schon nach wenigen Minuten entstand aus dem gemeinsamen Tun, Lachen und Reden eine bemerkenswerte Vertrautheit. Die Schülerinnen blendeten die traumatischen Hintergründe der Kinder aus und schenkten ihnen Zuwendung und Aufmerksamkeit, wodurch die Kinder immer gelöster, ja teilweise frech – Kinder halt! –  wurden. Da sollte ein Luftballon durch Aufblasen auch schon mal zum Platzen gebracht werden anstatt ihn mit Mehl zu befüllen. Nach 1½ Stunden verabschiedeten sich die Kinder fröhlich mit einem „Danke“ und einem „Tschüss“ im Chor von uns mit bunten Knautschbällen, bemalten Stofftaschen und originellen Musikinstrumenten in der Hand.

Der Film nach dem Mittagessen zeigte uns den Zyklus der Vorgehensweise am Beispiel eines Einsatzes in Angola: Wie Kinder in den Ländern ausgesucht, von den Eltern im Trennungsschmerz in einen Raum geführt und zunächst mit dem Wichtigsten medizinisch versorgt werden; wie sie nach Deutschland gebracht, in Krankenhäusern behandelt und dann im Friedensdorf wieder auf die Rückkehr in ihre Heimat vorbereitet werden; wie sie zurückgeflogen werden in ihre Heimat und dasselbe Flugzeug wieder Kinder mit nach Deutschland nimmt. Länder wie Angola sind zu sehr aus dem Focus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Schüler des Gymnasiums Georgianum werden aber sicher wieder das Friedensdorf in Oberhausen besuchen – dann aber für ein ganzes Wochenende.

Info-Box:

Das Friedensdorf International hilft seit 1967 kranken und verletzten Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten, dessen Sterben in ihrem Land unausweichlich oder deren Leben von unvorstellbaren Schmerzen begleitet ist. In Oberhausen leben derzeit 150 Kinder vor allem Angola, Somalia und Afghanistan im Alter von 3 Monaten bis zu 11 Jahren. Nach der notwendigen Operation in einem der Partnerkrankenhäuser, so auch in Lingen im St. Bonifatius Hospital, werden die Kinder auf ihre Rückkehr in ihre Heimat vorbereitet, auch indem sie handwerklich und im Lesen, Schreiben und Rechnen ausgebildet werden.    

Text und Fotos: Frank Kösters